Artists-in-Residence-Projekt »Wanderer zwischen den Welten. Künstlerische Erkundungen im Einwanderungsland Brandenburg«
Im Rahmen des Artists-in-Residence-Projekts »Wanderer zwischen den Welten. Künstlerische Erkundungen im Einwanderungsland Brandenburg« der Stiftung St. Matthäus, Kulturstiftung der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EKBO), präsentieren die Künstler*innen Hae Kim am 28.09. in Kloster Lehnin , Reiner Maria Matysik und Daria Wartalska am 29.09. in Briesen sowie Deborah Jeromin am 12.10. in Groß Ziethen ihre künstlerischen Projekte, die sie während ihrer Aufenthalte im Sommer und Frühherbst 2024 entwickeln.
Brandenburg ist ein Einwanderungsland – auch im religiösen Sinne: Bereits im 6. Jahrhundert wurden sorbische Stämme in der Region Spreewald ansässig. Im Mittelalter besiedelten französische Zisterzienser und Prämonstratenser das vorwiegend slawisch geprägte Land. Im 17. Jahrhundert fanden auf Einladung des Preußenkönigs Friedrich Wilhelm französische und niederländische Hugenotten in Brandenburg eine neue Heimat. Architektur, Brauchtum und ästhetische Praktiken der »Wanderer zwischen den Welten« prägen Brandenburg bis heute.
Die Stiftung St. Matthäus hat vier Künstler*innen eingeladen, sich im Sommer und Frühherbst 2024 auf Spurensuche im Einwanderungsland Brandenburg zu begeben – genau an jenen Orten, an denen religiöse Einwanderer prägend waren und sind: Kloster Lehnin, Groß Ziethen im Barnim und Dissen im Spreewald. Als »Artists-in-Residence« lebten und arbeiteten sie an diesen Orten – beherbergt durch die jeweiligen Kirchengemeinden und im Dialog mit den religiös verwurzelten ästhetischen Traditionen ihrer Wohn- und Wirkungsstätten. Es entstehen drei Kunstprojekte, die eine zeitgenössische Perspektive auf die kulturelle Prägekraft religiöser Einwanderer in Brandenburg werfen.
»Wanderer zwischen den Welten« ist ein Projekt im Rahmen des Themenjahres »Welten verbinden – Kulturland Brandenburg 2024«.
• Hae Kim: »Monolog«
Kloster Lehnin (Potsdam-Mittelmark)
Das Kloster Lehnin ist eine ehemalige Zisterzienserabtei im Ort Lehnin im Landkreis Potsdam-Mittelmark. Im Jahr 1180 wurde die Abtei gegründet und bald danach mit Mönchen des im südfranzösischen Burgund entstandenen Zisterzienserorden besiedelt. Sie machten das Land urbar und legten den Grundstein für eine weitläufige romanisch-gotische Klosteranlage, die 1542 im Zuge der Reformation säkularisiert wurde. Heute gehört das Kloster zum Diakonissenhaus Teltow und beherbergt vor allem diakonische Einrichtungen.
Der Zisterzienserorden breitete sich vom französischen Cîteaux aus in ganz Europa aus. Der Orden, der Ende des 11. Jahrhunderts aus einer Reformbewegung des Benediktinerordens hervorging, trug maßgeblich zur Urbarmachung und Kultivierung noch unerschlossener ländlicher Gebiete bei. Die Spiritualität der Zisterzienser war und ist geprägt durch eine einfache Lebensweise, Hochschätzung der Handarbeit sowie ein kontemplatives Leben des Gebets, des Lesens und der Arbeit.
Der Künstler Hae Kim, 1983 in Seoul (Südkorea) geboren, pflegt selbst eine mönchische Arbeitsweise: Tag für Tag druckt der in Braunschweig ausgebildete Künstler ein Wort aus dem Staub eines Buches, dessen Schrift er nach dem Lesen abgeschliffen und dessen Staub er gesammelt hat – jeden Tag neu, ein Leben lang. Im Kloster Lehnin, das einst eine große Bibliothek beherbergte, setzt er seine Arbeitsweise fort – und zeigt die Spuren seiner Arbeit: abgeschliffene Bücher und Worte. Künstlerische und spirituelle Praxis berühren sich.
Projektpräsentation:
28.09.2024, 16 Uhr
Klosterkirche St. Marien, Klosterkirchplatz 12A, 14797 Lehnin
Weitere Termine:
Ausstellung: 29.09. – 31.10.2024, Mo-Fr 13-16 Uhr, Sa/So und Feiertag 14-17 Uhr
Klosterkirche St. Marien, Klosterkirchplatz 12A, 14797 Lehnin
Führung mit Hae Kim durch die Ausstellung: 26.10.2024, 16 Uhr
Klosterkirche St. Marien, Klosterkirchplatz 12A, 14797 Lehnin
• Reiner Maria Matysik und Daria Wartalska: »Anwesenheit/Obecność/Pśibytnosć«
Dissen (Spree-Neiße)
Dissen/Dešno ist ein Dorf in der Niederlausitz am Rande des Spreewalds, dessen doppelter Ortsname – von Altsorbisch »dych« für »Nebel/Dunst« – seine sorbische Geschichte verrät. In der 1772 nach einem Dorfbrand wieder erbauten Kirche rahmen wendische/sorbische Bibelworte Darstellungen des Lebens Jesu. Pfarrer Bogumił Šwjela förderte in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts die niedersorbische Sprache.
Die Sorben, auf Deutsch auch Wenden, siedelten vorwiegend in der Lausitz. Im Nationalsozialismus verfolgt, sind die Sorben heute in Deutschland als nationale Minderheit mit eigener Sprache und Flagge anerkannt und prägen mit ihren traditionellen Handwerkstechniken, Brauchtümern und Trachten das kulturelle Leben in ihren Regionen.
Die Künstlerin und Designerin Daria Wartalska, 1986 in Kluczbork (Polen) geboren, wird sich während ihres Aufenthalts in Dissen mit der sorbischen Keramikkunst beschäftigen – und unter dem Titel »Anwesenheit/Obecność/Pśibytnosć« eigene Gefäße für den liturgischen und gemeindlichen Gebrauch der Kirchengemeinde schaffen. Parallel arbeitet ihr Lebensgefährte, der 1967 in Duisburg geborene Bildhauer Reiner Maria Matysik, gemeinsam mit Anwohner*innen sorbischer Herkunft an einem »Monument für die Sorben«.
Projektpräsentation »Monument für die Sorben«:
29.09.2024, 10 Uhr (Spreewaldkirchentag in Briesen)
Kirche Briesen, Dorfstraße 16, 03096 Briesen
Weitere Termine – Projektpräsentation »Anwesenheit/Obecność/Pśibytnosć«:
06.10.2024, 9 Uhr
Kirche Dissen, Hauptstraße 32, 03096 Dissen-Striesow OT Dissen
06.10.2024, 10.30 Uhr
Kirche Sielow, Sielower Chaussee 87, 03055 Cottbus OT Sielow
• Deborah Jeromin: »Maulbeerbäume und hugenottische Seidenraupenzucht in Brandenburg«
Groß Ziethen (Barnim)
Groß Ziethen ist ein Dorf im Barnim am südlichen Rand der Schorfheide. Seine Dorfkirche wurde im 13. Jahrhundert aus Feldsteinen errichtet und Anfang des 18. Jahrhunderts von französischen Hugenotten übernommen, die den Innenraum der Kirche gemäß ihrem calvinistischen Glauben umgestalteten.
Die hugenottischen Einwanderer waren Glaubensflüchtlinge, die im katholischen Frankreich wegen ihres reformierten Glaubens verfolgt wurden und Dank des »Potsdamer Toleranzedikts« von 1685 in Brandenburg siedeln konnten. Die zugewanderten Franzosen brachten neben ihrem calvinistischen Glauben auch zahlreiche Handwerkstechniken und Nutzpflanzen aus Frankreich mit – etwa die Seidenraupenzucht und Maulbeerbäume, welche Brandenburg von teuren Seidenimporten unabhängig machen sollte.
Die 1987 in Flensburg geborene Künstlerin Deborah Jeromin, deren Arbeiten zumeist ortsspezifische historische Recherchen zur feministischen Geschichte und textilen Handarbeitsprozessen zugrunde liegen, beschäftigt sich seit vielen Jahren mit der Geschichte der Seidenproduktion in Deutschland und wird sich in Groß Ziethen mit der Geschichte der hugenottischen Seidenraupenzucht auseinandersetzen.
Projektpräsentation:
12.10.2024, 16 Uhr
Pfarrhaus, Kirchstraße 10, 16247 Groß Ziethen
Die Stiftung St. Matthäus ist die Kulturstiftung der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-
schlesische Oberlausitz (EKBO). Sie wurde 1999/2000 mit Sitz am Dom zu Brandenburg
an der Havel gegründet und dient dem besonderen Auftrag, den Dialog der Kirche mit
den Künsten zu führen und zu fördern. Das kontinuierliche Gespräch mit Künstler*innen,
Ausstellungen, Konzerte, Lesungen, Kunstgottesdienste, Kooperationen mit Museen und Galerien sowie Sonderprojekte unterschiedlichster Art verwirklichen den Stiftungszweck. Hauptwirkungsstätte der Stiftung St. Matthäus ist die St. Matthäus-Kirche im Berliner Kulturforum. Als Raum für Gegenwartskunst präsentiert sie regelmäßig Positionen zeitgenössischer Kunst sowie unterschiedlichste kulturelle Veranstaltungen. Gleichzeitig ist sie religiöser Ort der Ruhe und Einkehr.