Wanderer zwischen den Welten

Im Rahmen des Artist-in-Residence-Projektes »Wanderer zwischen den Welten. Künstlerische Erkundungen im Einwanderungsland Brandenburg« begeben sich internationale Künstler*innen im Sommer und Herbst 2024 an drei Orten, an denen religiöse Einwanderer gewirkt haben, auf Spurensuche.

 

»Wanderer zwischen den Welten« ist ein Projekt im Rahmen des Themenjahres »Welten verbinden – Kulturland Brandenburg 2024«

© Studio HanLi

Brandenburg ist ein Einwanderungsland – auch im religiösen Sinne: Französische Zisterzienser und Prämonstratenser besiedelten im Mittelalter das vorwiegend slawisch geprägte Land. Im 17. Jahrhundert siedelten auf Einladung des Preußenkönigs Friedrich Wilhelm französische und niederländische Hugenotten in Brandenburg. Bereits im 6. Jahrhundert siedelten sorbische Stämme in der Region Spreewald. Architektur, Brauchtum und ästhetische Praktiken der »Wanderer zwischen den Welten« prägen Brandenburg bis heute.

Im Sommer 2024 lädt die Stiftung St. Matthäus, Kulturstiftung der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz, vier Künstler*innen ein, sich auf Spurensuche im Einwanderungsland Brandenburg zu begeben – genau an jenen Orten, an denen religiöse Einwanderer prägend waren und sind: Kloster Lehnin, Groß Ziethen im Barnim und Dissen am Spreewald.

Als »Artists-in-Residence« leben und arbeiten sie an diesen Orten – beherbergt durch die jeweiligen Kirchengemeinden und im Dialog mit den religiös verwurzelten ästhetischen Traditionen ihrer Wohn- und Wirkungsstätten. Es entstehen drei Ausstellungsprojekte, die eine zeitgenössische Perspektive auf die kulturelle Prägekraft religiöser Einwanderer in Brandenburg werfen.

Orte und Künstler*innen:

Dissen (Spree-Neiße): Reiner Maria Matysik und Daria Wartalska
Groß Ziethen (Barnim): Deborah Jeromin
Kloster Lehnin (Potsdam-Mittelmark): Hae Kim

Dissen (Spree-Neiße): Reiner Maria Matysik und Daria Wartalska

Kirche Dissen, Foto: Ekkehard Köhler

Dissen/Dešno ist ein Dorf in der Niederlausitz am Rande des Spreewalds, dessen doppelter Ortsname – von Altsorbisch »dych« für »Nebel/Dunst« – seine sorbische Geschichte verrät. In der 1772 nach einem Dorfbrand wieder erbauten Kirche rahmen wendische/sorbische Bibelworte Darstellungen des Lebens Jesu. Pfarrer Bogumił Šwjela förderte in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts die niedersorbische Sprache.

Die Sorben, auf Deutsch auch Wenden, siedelten vorwiegend in der Lausitz. Im Nationalsozialismus verfolgt, sind die Sorben heute in Deutschland als nationale Minderheit mit eigener Sprache und Flagge anerkannt und prägen mit ihren traditionellen Handwerkstechniken, Brauchtümern und Trachten das kulturelle Leben in ihren Regionen.

Die Künstlerin und Designerin Daria Wartalska, 1986 in Kluczbork (Polen) geboren, wird sich während ihres Aufenthalts in Dissen mit der sorbischen Keramikkunst beschäftigen – und unter dem Titel »Anwesenheit/Obecność/Pśibytnosć« eigene Gefäße für den liturgischen und gemeindlichen Gebrauch der Kirchengemeinde schaffen. Parallel arbeitet ihr Lebensgefährte, der 1967 in Duisburg geborene Bildhauer Reiner Maria Matysik, gemeinsam mit Anwohner*innen sorbischer Herkunft an einem »Monument für die Sorben«.

Präsentationen:
29. September 2024, 10 Uhr, Kirche Briesen;
6. Oktober 2024, 9 Uhr, Kirche Dissen sowie 10.30 Uhr Kirche Sielow

Groß Ziethen (Barnim): Deborah Jeromin

Dorfkirche Groß Ziethen, Foto: Hannes Langbein

Groß Ziethen ist ein Dorf im Barnim am südlichen Rand der Schorfheide. Seine Dorfkirche wurde im 13. Jahrhundert aus Feldsteinen errichtet und Anfang des 18. Jahrhunderts von französischen Hugenotten übernommen, die den Innenraum der Kirche gemäß ihrem calvinistischen Glauben umgestalteten.

Die hugenottischen Einwanderer waren Glaubensflüchtlinge, die im katholischen Frankreich wegen ihres reformierten Glaubens verfolgt wurden und Dank des »Potsdamer Toleranzedikts« von 1685 in Brandenburg siedeln konnten. Die zugewanderten Franzosen brachten neben ihrem calvinistischen Glauben auch zahlreiche Handwerkstechniken und Nutzpflanzen aus Frankreich mit – etwa die Seidenraupenzucht und Maulbeerbäume, welche Brandenburg von von teuren Seidenimporten unabhängig machen sollte.

Die 1987 in Flensburg geborene Künstlerin Deborah Jeromin, deren Arbeiten zumeist ortsspezifische historische Recherchen zur feministischen Geschichte und textilen Handarbeitsprozessen zugrunde liegen, beschäftigt sich seit vielen Jahren mit der Geschichte der Seidenproduktion in Deutschland und wird sich in Groß Ziethen mit der Geschichte der hugenottischen Seidenraupenzucht auseinandersetzen.

Vorschau und Künstleringespräch sowie Präsentation der Seidenraupen: 17. August, 16 Uhr
Präsentation: 12. Oktober, 16 Uhr

Kloster Lehnin (Potsdam-Mittelmark): Hae Kim

Klosterkirche St. Marien, Lehnin, Foto: © Beate Wätzel

Das Kloster Lehnin ist eine ehemalige Zisterzienserabtei im Ort Lehnin im Landkreis Potsdam-Mittelmark. Im Jahr 1180 wurde die Abtei gegründet und bald danach mit Mönchen des im südfranzösischen Burgund entstandenen Zisterzienserorden besiedelt. Sie machten das Land urbar und legten den Grundstein für eine weitläufige romanisch-gotische Klosteranlage, die 1542 im Zuge der Reformation säkularisiert wurde. Heute gehört das Kloster zum Diakonissenhaus Teltow und beherbergt vor allem diakonische Einrichtungen.

Der Zisterzienserorden breitete sich vom französischen Cîteaux aus in ganz Europa aus. Der Orden, der Ende des 11. Jahrhunderts aus einer Reformbewegung des Benediktinerordens hervorging, trug maßgeblich zur Urbarmachung und Kultivierung noch unerschlossener ländlicher Gebiete bei. Die Spiritualität der Zisterzienser war und ist geprägt durch eine einfache Lebensweise, Hochschätzung der Handarbeit sowie ein kontemplatives Leben des Gebets, des Lesens und der Arbeit.

Der Künstler Hae Kim, 1983 in Seoul (Südkorea) geboren, pflegt selbst eine mönchische Arbeitsweise: Tag für Tag druckt der in Braunschweig ausgebildete Künstler ein Wort aus dem Staub eines Buches, dessen Schrift er nach dem Lesen abgeschliffen und dessen Staub er gesammelt hat – jeden Tag neu, ein Leben lang. Im Kloster Lehnin, das einst eine große Bibliothek beherbergte, setzt er seine Arbeitsweise fort – und zeigt die Spuren seiner Arbeit: abgeschliffene Bücher und Worte. Künstlerische und spirituelle Praxis berühren sich.

Präsentation: 28. September, 16 Uhr
Ausstellung: 29. September bis 31. Oktober, Mo-Fr 13-16 Uhr, Sa/So und Feiertag 14-17 Uhr
Führung mit dem Künstler: 26. Oktober, 16 Uhr

Ein Projekt im Rahmen von »Welten verbinden – Kulturland Brandenburg 2024/2025«

Kulturland Brandenburg 2024/2025 wird gefördert durch das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kultur sowie das Ministerium für Infrastruktur und Landesplanung des Landes Brandenburg.

Mit freundlicher Unterstützung der brandenburgischen Sparkassen und der Investitionsbank des Landes Brandenburg.

Das Vorhaben wird gefördert durch die Stiftung für das sorbische Volk, die jährlich auf der Grundlage der beschlossenen Haushalte des Deutschen Bundestages, des Landtages Brandenburg und des Sächsischen Landtages Zuwendungen aus Steuermitteln erhält.

Projekt spěchuje so wot Załožby za serbski lud, kotraž dóstawa lětnje přiražki z dawkowych srědkow na zakładźe hospodarskich planow, wobzamknjenych wot Zwjazkoweho sejma, Krajneho sejma Braniborskeje a Sakskeho krajneho sejma.

Projekt spěchujo se wót Załožby za serbski lud, kótaraž dostawa lětnje pódpěru z dankowych srědkow na zakłaźe etatow, wobzamknjonych wót Zwězkowego sejma, Krajnego sejma Bramborska a Sakskego krajnego sejma.

Gefördert durch:
Evangelisch-reformiertes Moderamen
Reformierter Kirchenkreis Berlin-Brandenburg
Französischen Kirche zu Berlin

Zugehörige Veranstaltungen