Die verschwundene Stadt – Rekonstruktion des alten Tiergartenviertels (1846–1950)

S. Matthäus-Kirche
Matthäikirchplatz
10785 Berlin

Das Berliner Tiergartenviertel zwischen Tiergarten und Landwehrkanal gehörte einst zu den vornehmsten Quartieren Berlins. Hier, im sogenannten »Geheimratsviertel«, lebten zwischen der Mitte des 19. Jahrhunderts und dem Zweiten Weltkrieg Künstler, Kunstsammler, Bankiers, Politiker und Journalisten. In den zahlreichen von Frauen geführten Salons kamen sie zusammen und empfingen Gäste aus aller Welt. Ihre Diskussionen und literarischen Hinterlassenschaften spiegeln prägende Abschnitte der neueren deutschen Geschichte.

Schon seit den 1930er Jahren verschwanden Teile des Viertels zugunsten der von Albert Speer geplanten »Welthauptstadt Germania«. Wenig später wurden im Zweiten Weltkrieg große Teile des Viertels zerstört. Erst seit den 1960er Jahren entstand mit dem Kulturforum ein neues Areal, dem man die Struktur des alten Viertels nicht mehr ansieht. Heute künden nur noch wenige Gebäude – darunter die 1846 durch den Schinkel-Schüler Friedrich August Stüler erbaute St. Matthäus-Kirche – von der alten Gestalt des Tiergartenviertels.

Das alte Tiergartenviertel droht in Vergessenheit zu geraten – und damit ein kultureller Resonanzraum, der zum Verständnis des heutigen Kulturforums gehört. Wie lässt sich die verschwundene Stadt wieder in Erinnerung rufen?

Als eines der letzten verbliebenen Gebäude wurde die St. Matthäus-Kirche zum Ausgangspunkt einer Wiederbelebung: Ausgehend von literarischen, musikalischen und bildnerischen Zeugnissen sind im Auftrag der Stiftung St. Matthäus drei szenische Leseabende entstanden, in denen die ehemaligen Bewohner*innen des Tiergartenviertels wieder zu Wort kommen.

Gefördert durch den Hauptstadtkulturfonds.

Der erste Abend beleuchtete das Entstehen des Viertels ab 1846, dem Baujahr der St. Matthäus-Kirche, bis zur Jahrhundertwende: Das Tiergartenviertel zwischen Parkidylle und Weltstadt, erschüttert durch die Turbulenzen der Märzrevolution von 1848.

Der zweite Abend beschäftigt sich mit der kulturellen Blüte des Viertels durch den Einzug der künstlerischen Avantgarde sowie der baulichen und technischen Modernisierung der Stadt.

Nach zwei Leseabenden zu Werden und Blüte des alten Tiergartenviertels nimmt der dritte und letzte Abend das Verschwinden des Viertels in den Blick: Seinen Rückbau durch die Nationalsozialisten, den Ausverkauf und die Vertreibung seiner vielfach jüdischen Bewohner*innen und seine Zerstörung in den letzten Tagen des Zweiten Weltkriegs.